Sehr geehrte Ausbilderinnen,
sehr geehrte Ausbilder,

heute wende ich mich an Sie, weil mir, wie Sie sicherlich wissen, die gute und praxisnahe Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler und Ihrer Auszubildenden sehr am Herzen liegt.

Sie haben vielleicht der Tagespresse entnommen, dass ein breites Bündnis von “besorgten” Verbänden die Politik im Rahmen der Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg zu einem Verbot von Microsoft-Produkten in den Schulen bewegen will und dass auch der Landesdatenschutzbeauftragte die Nutzung von Microsoft 365 an den Schulen untersagen will. Spätestens nach den Sommerferien werde Beschwerden mit Nachdruck nachgegangen, so der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit. Der Grund seien erhebliche datenschutzrechtliche Probleme und Risiken, die in einem Pilotversuch festgestellt worden seien. Welche konkrete Risiken das genau sind und welche Auswirkungen sie auf die Schülerinnen und Schüler haben werden, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Kritik wird vor allem an den fehlenden Angaben geübt, welche Daten genau zu welchem Zweck und wie lange bei Microsoft und Drittanbietern gesammelt und gespeichert werden. Offensichtlich handelt es sich aber ausschließlich um Daten, die dazu dienen, das Nutzerverhalten zu analysieren und so die Produkte ständig weiterzuentwickeln und nicht um Daten, die individuelle Rückschlüsse auf die Schülerinnen und Schüler erlauben.

Die Folgen einer solchen Anordnung zum Verbot von MS 365 wären für die beruflichen Schulen weitreichend. Wir an der Heinrich-Hertz-Schule setzen seit über einem Jahr Microsoft 365 und insbesondere das Programm Teams in Verbindung mit OneNote sehr erfolgreich als Lernplattform ein. Ohne diese professionelle Software wäre der Online-Unterricht in der Qualität, wie wir ihn erbringen konnten, unmöglich gewesen. Die von den Datenschützern empfohlenen Produkte haben jedenfalls im Piloteinsatz an unserer Schule auf ganzer Linie versagt. Das Ministerium selbst hat sogar empfohlen, die favorisierten Landesprodukte Moodle in Verbindung mit BigBlueButton nicht flächendeckend zum Videostreamen zu verwenden, da die Kapazitäten nicht ausreichend seien.

Das Verbot von Teams im Rahmen von Microsoft 365 würde nicht nur unseren Online-Unterricht, sondern auch unsere Tablet-Klassen um Jahre zurückwerfen. Alternativen, die auf dem Markt sind oder von der Landesregierung angeboten werden, sind bezüglich Stabilität der Dienste, Integration in weitere kollaborative Büroanwendungen und Leistungsumfang um ein Vielfaches schlechter.

Natürlich ist auch uns als Schule mit einem sehr starken Anteil an IT-Berufen der Datenschutz ein zentrales Anliegen. Daher haben wir die Nutzung von Microsoft 365 für unsere Schülerinnen und Schüler so gestaltet, dass sie den Microsoft-Dienst komplett pseudonymisiert verwenden können: kein Schülername und keine Schüler-E-Mail-Adresse außerhalb von Microsoft 365 wird aus der Schule heraus in die Microsoft-Cloud übertragen.

Dass nun versucht wird, Microsoft unter Berufung auf den Datenschutz aus Schulen herauszudrängen, ist für uns nach einer vernünftigen Güterabwägung zwischen Bildungsqualität und dem Schutz personenbezogener Daten nicht nachvollziehbar. Weder liegen landesweit tragfähige Alternativ-Konzepte vor, noch wird hinreichend zwischen den einzelnen Schularten differenziert. Grundschulen werden genauso behandelt wie große berufliche Bildungszentren. Es wird auch nicht  berücksichtigt, dass die landesweit verteilten iPad-Geräte von Apple ebenfalls von einem US-Konzern hergestellt werden, der ebenso Nutzerdaten auswertet. Auch Android-Tablets und interaktive Tafelsysteme sind eng mit den Diensten des US-Suchmaschinen-Anbieters Google verflochten. Konsequenterweise müssten diese Systeme dann auch aus den Schulen verbannt werden.

Meine Bitte an Sie heute ist daher die folgende: helfen Sie uns und unseren Schülern, indem Sie sich dafür stark machen, dass -zumindest an beruflichen Schulen- der Einsatz von Microsoft-Software erlaubt bleiben muss. Diskutieren Sie mit Ihren Geschäftsleitungen, mobilsieren Sie Ihre Dachverbände, sprechen Sie mit Kommunalpolitikern, suchen Sie die Öffentlichkeit. Mögliche Forderungen wären aus unserer Sicht:

  • Microsoft 365 muss als professionelle Software in den Schulen erlaubt bleiben, um die Schülerinnen und Schüler angemessen auf das Arbeitsleben vorbereiten zu können. Fast alle baden-württembergischen Unternehmen nutzen Microsoft-Produkte erfolgreich und ohne Probleme im Alltag.
  • Datenschutz ist wichtig, muss aber mit Augenmaß betrieben werden: Schulen sollten mit sinnvollen Auflagen, z.B. Pseudonymisierung, aber auch mit technischen Einrichtungen befähigt werden, Dienste von US-Unternehmen rechtssicher betreiben zu können. Sollte der Landesdatenschutzbeauftragte bereits die Übertragung einer IP-Adresse kritisch sehen, so muss den Schulen flächendeckend eine VPN-Lösung bereitgestellt werden.
  • Keine Verbotsforderungen von Programmen oder Diensten ohne landesweite Bereitstellung gleichwertiger Alternativen.

Dass die Diskussion bereits teilweise groteske Ausmaße annimmt, wird deutlich, wenn in einem Positionspapier von Bildungsverbänden, Lehrergewerkschaften und Elternvertretungen davon gesprochen wird, dass in Baden-Württemberg Arbeitsplätze und Know-How gesichert werden solle, indem vorrangig heimische Unternehmen und deren Produkte in die Bildungsplattform eingesetzt werden sollen. Mir ist jedoch weder ein Betriebssystem noch eine funktionsfähige Cloud-Lösung mit Video-Funktion aus Baden-Württemberg bekannt. Die von Ministerin Dr. Eisenmann zurecht gestoppte Bildungsplattform ELLA konnte den Anforderungen jedenfalls nicht gerecht werden.

Auf der anderen Seite haben in Hessen Schülerinnen und Schüler eine Petition für den weiteren Einsatz von Office 365 im Unterricht gestartet, worüber in den hiesigen Medien nichts zu lesen war. Hier wird aus unserer Sicht deutlich, dass die Diskussion und vor allem die Berichterstattung in den Medien doch deutlich in Schieflage ist, weshalb ich mich mit meinem Aufruf heute an Sie gewandt habe.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch skizzieren, wo wir wären, würden wir bzw. die Kultusverwaltung den teilweise fast schon „fundamentalistischen“ Ansatz des Datenschutzes bzw. der o.g. Verbände und Organisationen zu Ende denken:

  • Verbot von Office 365 führt zum Umstieg zu LibreOffice, das kaum kompatibel zu den betrieblichen Systemen ist und in der betrieblichen Realität kaum vorkommt.
  • Verbot von Windows, da auch hier der Abfluss von personenbezogenen Daten in die USA befürchtet werden muss, führt zu einem verbindlichen Einsatz von Linux in den Schulen.
  • Damit Auflösung der neu beschafften Schullösung NetMan for Schools mit Fernzugriff auf die Umgebung und Software im ‘Pädagogischen Netz’. 
  • Keine Labor-Beschulung mehr mit Branchensoftware, z.B.
    • ETS für die KNX-Programmierung
    • TIA-Portal und andere SPS-Software
    • MultiSim 
    • SEE Electrical 
    • LOGO! 
    • WinSPS 
    • sPlan 
    • Lochmaster 
    • uvm.
  • Abschaltung der neu angeschafften Präsentations-Monitore in den Laboren, da hier Android zum Einsatz kommt führt zur Rückkehr in die Kreidezeit.
  • Abschaltung des Schulverwaltungsprogramms ASV-BW,  da das landeseinheitliche Schulverwaltungsprogramm (!) als Systemvoraussetzung Windows 10 nennt, führt zur Schulverwaltung mit Karteikarten und Papierakten.
  • Abschaffung aller Cisco-Switche, da US-produzierte Hardware potenziell NSA-Backdoors enthalten kann führt zu einem kompletten Lockdown der schulischen IT.
  • Verbot der Nutzung von Diensten der Deutschen Telekom, da in den USA börsennotierte Unternehmen zur Herausgabe von Nutzerdaten verpflichtet werden können.

Liebe Ausbilderinnen, liebe Ausbilder, bitte helfen Sie uns mit, den aktuellen Bestrebungen entgegenzustehen, die praxisnahe Beschulung unserer Auszubildenden dem Primat des Datenschutzes vollständig unterzuordnen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Hörner